Begegnungen 1

Ein Mittagessen mit Vätern, Söhnen und dem Liebsten

Ich finde mich Ein

Eine
Stille umgibt mich
Spürbar für mich
Spürbar für andere-
das weiß ich nicht.

Stille umgibt mich
Ich lache, ich scherze, räume Teller ab, bringe Tee –
balanciere dich Helio, in mir.

Ein „Röteli“, ein rotblonder Junge ist dabei. Bald 13.
Mein Inneres geht zu Helio, rotblond, zum Alpsommer auf Pragant. Helio bald 14 und seit bald einem Jahr am kiffen.

Ich seh den bald 13 jährigen beim spielen.
Seh Helio bei seinen Spielen mit den Alpgast Kindern.
Seh Gesichter von rotblonden Jungs und wende mich warm diesem lebendigen Jungen zu.
Höre ihm zu.
Sag ihm das ich mich freue ihn im nächsten Jahr wieder zu sehen, ein Jahr älter.
Mein Inneres
mit Fürsorge und Wachheit wünscht ihm,
Dem Zarten, Anderen „Gute“ Lebenswege
mit all meiner Kraft.

Die Erde ist Gut – Der Salat ist Schön

Dialog, beim jäten mit einer sehr alten Frau

!Die Erde ist Gut!

„hast Kinder auch?“
„Ja“
„Wie alt ist es?“
„Er wäre 22“

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„Er ist Tot“
Die Erde ist Gut

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„Mein Bruder starb mit 4 Jahren
und im gleichen Monat die Mutter meiner Mutter,
Vater war keiner da“
Der Salat ist Schön

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„Mein Sohn starb vor 2 Jahren, 19 Jahre alt“
Die Erde ist gut

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„Mein Mann starb mit 36 Jahren, die Kinder waren 6 und 8 Jahre alt“
Der Salat ist schön
Die Erde ist gut

—————————–

antwort 1

Du Liebe, Hallo!
Deine Worte haben mich sehr berührt. Bewegen mich immer wieder…
Ich staune, wie weit Du bereit bist, Helio zu folgen.
Ich bewunder Deinen Mut zur Offenheit.
Ich kannte Helio nicht.
Gedanken zum Sterben und Tod…
Ich mache seit Utes Sterben auf neue Weise die Erfahrung, was für eine Sogwirkung Todin haben kann. Ein Tor, welches offen steht und es bedarf meiner bewußten Entscheidung, nicht hindurch zu gehen. Zumindest nicht auf dem Weg des Strebens. Des Körper Abstreifens. Vielleicht geht es auch anders?
Vielleicht…
Ich hatte das Glück, grade noch zu einem Zeitpunkt von der Alp zurück in Portugal zu sein, als Ute noch lebte. Ich war in ihren letzten Tagen auf E1 auf ihrem Land. Habe ein bisschen geholfen.
Ute sah so lebendig aus in ihrem Sterben. War ganz da. Ganz in ihrem Körper. Und ebenso als Tote. Lebendige Tote.
Nach Utes Tod war ich lange in einem seltsamen Zustand. Hatte einige Beinahunfälle, echt krasse, wirklich brenslige. Die Todin war stets präsent. Ich konnte ihre Hand auf meiner Schulter spüren. Sie gemahnte mich zur Eile. Zum genau prüfen, was jetzt meine lebendigste  Antwort auf die Frage des Lebens sein kann. Immer jetzt. So fragil, zerbrechlich das Leben. Ich werde sterben. So wirklich gewußt mit jeder Körperzelle habe ich es zuvor selten. Und noch seltener ohne Angst. Dies Bewußtsein hat mir für eine Weile eine Intensität für den Augenblick geschenkt, ein Lebendigkeit und Leichtigkeit.
Ich lebe in gewissen Phasen meines Lebens mit der Option, die Helio dann tatsächlich gewählt hat. Einerseits kenne ich die Angst vor dem Streben. Oder eigentlich ist es eher die Angst, nicht gelebt, nicht alles geworden zu sein, was ich bin und nicht zur Verfügung gestellt zu haben, bevor ich strebe. Dann kenne ich das Gefühl, nicht leben und lieber tod sein zu wollen. Auch, weil es mir so zeitweise unmöglich erscheint, zu werden unter den Bedingungen dieser Zeit und in mir, die ich bin.
Suizid- manchmal der von mir geglaubte letzte Ausweg aus Unerträglichkeiten. Das Ende des Schmerzes, keinen Ort hier zu finden, nirgends. Das Ende der Taubheit. Des abgeschnitten Wähnens von Lebendigem. Dem Gefühl, nicht entkommen zu können, den inneren und äußeren Mustern und Konditionierungen und der aus ihnen entstehenden Enge und dem Druck… Der Hoffnungslosigkeit und bedrückenden Schwere.
Aber etwas hat mich immer abgehalten, tatsächlich durch dieses Tor zu gehen.
Ich glaube da nicht an Sünde und Schuld oder so. Aber ich bin überzeugt, dass es kein Entkommen gibt. Ich kann mich nicht absetzen. Mich nicht entziehen. Grundlegend würde sich eben nichts ändern. Auch durch meinen Suizid nicht. Die Essenz dessen, was ich bin, exitiert ja weiter. Und würde und wird igendwann, irgendwo wieder in Erscheinung treten.
Und tatsächlich wächst meine Sehnsucht nach Lebendigkeit, lebendigem Sein mehr und mehr, seitdem ich Ute begegnet bin, Lebendigkeit geschmeckt habe und  zumindest für kurze Augenblicke wußte wer ich bin, worin ich gründe, wo mein Ort ist. Die Sinnfrage wurde unwichtiger und entlarvt als Folge davon, meines Grundes veflustig geworden zu sein. Wieder und wieder.
Und wieder und wieder rausche ich in Tiefen, in Bewegungslosigkeiten, scheinbare Auswegslosigkeiten, wo ich mich wieder auf´s Neue konfrontiert sehe mit meinem Nicht-mehr-am-Leben-sein-Wollen. Wieder und wieder zerfallen Gewißheiten, bröseln Verbindungen, Verbundenheiten, versickern Freude und Lust an allem.
Und irgendwann kamen sie bisher immer wieder. Mal früher, mal später. Zum Glück bislang nicht zu spät.
Tod, die unausweichliche Tatsache, dass ich irgendwann sterben werde, beinhaltet sowohl ein Gefühl der Ohnmacht, weil ich daran nichts ändern kann und andererseit ein Gefühl der Eigenmacht, weil mir dies niemand nehmen kann und ich mitbestimme, wie ich gehen werde. Mit Hingabe? Indem ich den Zeitpunkt selbst bestimme? Mit Widerstand? Mit Zärtlichkeit für die Vergänglichkeit?

antwort 1

Liebe Iris
Danke für diese tiefen Zeilen. Das kostet etwas, so zu schreiben, so ehrlich, so wissend, dass doch viele im Grunde kaum verstehen werden….
Auch ich. Was habe ich da schon zu sagen, wie kann ich mir anmassen überhaupt darauf reagieren zu wollen?
Und doch: in meinem Kopf bist du, seid ihr und ist es Zufall, dass mir das Thema im Moment oft begegnet und ich so immer wieder an euch erinnert werde? Da war ein 2-seitiges Dossier in der Zeitung, eine Mutter, ihre Tochter ging mit 18. Wüsste ich deine Adresse, ich würde es dir schicken – sie versteht, was ich nur erahnen kann. Wie das Kind allgegenwärtig bleibt, wie sie nie mehr wird zur früheren “Normalität” zurückkehren, ihr Leben lang nicht.
Oh, ich fange an zu begreifen wie unverstanden sich meine Freundin oft fühlen muss, wenn sie mir auch noch nach Jahren so schmerzlich von ihrem Vater erzählt, der sich auch für das Sterben entschieden hat – und ich habe bis jetzt nicht kapiert wie tief das geht, wie wichtig das immer noch für sie ist und bleiben wird, habe sie nicht ernst genommen…..ich werde sie um Verzeihung bitten müssen.
Helio…weisst du, dass ich ihn nur ein einziges Mal lebend gesehen habe? Dort auf Deyen. Möglich, dass ich total falsch liege aber mein Eindruck war, dass der junge Mann insgeheim eine ganz schön gute Meinung von seiner Mutter hatte, möglicherweise sogar etwas stolz war auf diese Frau, die ganze Alpen managt und ein so anderes Leben führt als andere Frauen. Könnte es sein, dass er in aller Rebellion und allen Schwierigkeiten irgendwie doch immer darauf zählen konnte, dass seine Mutter ihn tief drinnen eigentlich ziemlich gut versteht, dass er sich darauf auch oft abgestützt hat?
Ob er wohl, etwas zu selbstverständlich auch davon ausgegangen ist, dass seine Mutter auch seine letzte Entscheidung verstehen würde? Deine Zeilen nach scheint es mir das, wo du dich gerade annäherst, dieses Verstehen, dieses Begreifen, diese Möglichkeit durch diese Tür zu gehen….
Falls dich meine Hypothesen nerven, klick mich einfach weg!
Was mich auch beschäftigt: es kommt mir vor, dass derjenige, der geht all die Verzweiflung, all das Schwierige, all das Ungelöste, die Fragen. die Aengste, die Hoffnungslosigkeit oder was es sonst ist zurücklässt. Und dann ist jemand anderes dazu bestimmt? verurteilt?  das alles zu übernehmen, weiter zu tragen.  Jedenfalls bleibt es da…ob es auf jemanden wartet, der daran nicht zerbricht? Keine Ahnung, schwierig….
Iris, einmal in meinem Leben, ich war 17 da habe ich auch diese Nähe der anderen Seite gesehen, oben im 6.Stock auf dem Fenstersims, dieses Gefühl gespürt, dass ich ohne Angst springen könnte, dass das gar nichts Schlimmes wäre, im Gegenteil….
dann aber diese Augen meiner Schulfreundin, die dazu kommt, dieses Gesicht, dieser Schrecken, ja schon Trauer fast, das hat sich bei mir eingebrannt für mein ganzes Leben. Wir haben zusammen geweint, nachher nie mehr darüber geredet, denn für mich war diese Möglichkeit kein Thema mehr ab dann. Aber ich weiss jetzt, dass man dort stehen kann und dass nicht bei allen jemand dazukommt. Warum das so ist? Wenn ich das wüsste.
Gedanken zum Leben schreibst du….das Leben kommt mir so viel schwieriger und komplizierter vor als der Tod. Wozu braucht es das überhaupt, dieses Leben? Für mich ist es eine Berufung, Gott hat mich da hineingestellt. Will mich reifen lassen, Es gibt Aufgaben für mich im Leben, es gibt Menschen für die mein Dasein wichtig ist, es gibt Dinge, die soll ich sehen, spüren und durchleben, aushalten, es lässt mich wachsen. Gefühle werden tiefer, intensiver, das Verständnis für andere nimmt zu…
Alles wunderbare Weisheiten, gell, und doch so theoretisch wenn man so etwas erleben muss wie du, ich weiss!! Ich will nicht irgendwelche Floskeln loswerden…
(Und schon gar nicht will ich missionarisch werden, hoffe das verstehst du nicht so, wenn ich von meinem Glauben rede.  Bei der Suche nach Gott habe ich halt den Weg über Jesus ausprobiert, und das hat für mich Hand und Fuss …..der kennt sich aus mit Leben und Tod finde ich.)
Oje, der Brief wird lang…
Fühle dich ja nicht verpflichtet zu antworten.
Keine Ahnung warum mir dein Schicksal so nah geht, wir kennen uns doch nur ein wenig…….

atmen-gehen-leben?

atmen-gehen-. . .
atmen-
ich atme
ich gehe atmend baden
und lebe-
LEBE
sitze mit Nichte, Neffe, Mama, Schwester am Chiemsee.
Helio ist Tot

wie ist das, geht das mit dem
atmen-gehen-weiterleben?

Im Sommer

nach 2 Jahren und 4 Tagen im Sommer, am See, beim baden und Kirschen essen?
und nochmal!
atmen-gehen- ….
gehen an Orte des Lebens
des Sommers
Sein darin
mit mir, mit den anderen, mit Helio
langsam
ganz langsam
die innere Starre verlieren, spüren wie mein Schock nach lässt- und auch bei den anderen.
Lebendig Sein, mit Helio
wie das geht, dieses zu lernen kommt zu mir

kann ich dich in nach hinein noch entdecken?
Dein Bild liegt vor mir.
bitte bitte zeig dich mir!
Wer bist Du?                                                                                                                                         Wer warst Du?                                                                                                                                 Bitte! Ich möchte Dich kennen lernen!

Bitte ihr Menschen, die ihr Helio kanntet,                                                                                             Bitte sagt mir alles war ihr von ihm wisst.

zweiter Todestag

zweiter Todestag
Annäherungen

Annäherungen
die Tage davor
einen Kuchen backen mit der spanischen Schokolade die ich ihm mit brachte von meiner Camino Wanderung,
den Rock anziehen bei dessen Kauf er dabei war und sagte dass der ihm besser gefällt als der andere,
seinen Wagen sauber machen, zwischen seinem Sachen sein, räuchern,
den Erinnerungen eine Freundin von ihm, berührt zuhören
„bitte vergiss ihn nicht!“
Weite in mir dankbar spüren- dankbar
Stille ihn mir spüren- dankbar
dankbar durch den Tag atmen – mich