Lebensgeschwindigkeit

ich hatte eine Geschwindigkeit vor Helio s tot.
Mein Körper
oder anteile in mir blieben in dieser Geschwindigkeit nach Helio s tot
einer mir nicht mehr lebbaren Geschwindigkeit-
Das dem so ist wusste ich noch nicht

nun- bald 2 Jahre später kann ich sagen:
das „war“meine Geschwindigkeit

dieses Tempo ist mir nicht mehr möglich

2 Jahre brauchte ich zu lernen das Tempo zu finden in dem ich Helio s tot tragen kann.
Anforderungen, Aktionswünsche, in Einklang zu bringen mit mir und dem Schock in der mich lähmt
wie wenig
wie langsam
mein handeln sein „muss“ damit keine körperlichen oder emotionalen Stress Zeichen mich lähmen

ich habe es gelernt
ich bin in der Zeit
ich pushe mich nicht
ich werde langsamer wenn nötig
ich unterbreche Handlungen wenn nötig
ich lasse mich verwirrt sein, abwesend, unkonzentriert-
denn das bin ich alles

ich habe ein Tempo gefunden das in Einklang ist – meist- mit meinem Inneren

Ich bin in meiner Schwäche angekomment

wer war Er
Er – Helio
der Mensch
mein Sohn

wer war Er?
der Mensch
mein Sohn
der sich erhängte

der seinen Wunsch zu sterben in sich trug bis zu seinem Tode
„von eigener Hand“

der zweimal sagte:
ich will manchmal nicht mehr leben

der 3 Nächte vor seinem Tot mit seiner Liebsten das Bett teilte

beim Tot von eigener Hand bleiben Fragen.
Fragen an den Toten offen.
das ist für mich einer der großen großen Unterschiede zu anderen Wegen des sterbens.

seine eigene Hand legte sich den Strick um den Hals-

Fragen werden bleiben.
danke Rilke für den Satz:

….

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.

Wege

Wege

im Zug
zwischen Cresta und Karow
Menschen
viele viele Menschen
umgeben von lebendigen Menschen
umgeben von jungen Menschen
sitze ich im Zug
Gespräche
über Uni/Abi hinter mir
Gespräche über Festival/Party/WG neben mir
eine besoffene/gröllende Gruppe böser Onkels Konzert Besucher läuft durch den Gang

all diese Menschen waren Kinder
all diese Menschen haben Mütter, Väter
all diese Menschen sind lebende Kinder von Müttern und Vätern

und ich beginne zu überlegen wann Helio s letzte Zugfahrt war

auch er saß ein mal lebend in einem Zug

lese-esse-lese-schau aus dem Fenster- und wieder von vorne

Nur! diese Gedanken nicht nicht größer werden lassen

die Menschen anschauen wie die Berge im Avers
wie jede Pflanze
die Weite in mir finden und spüren
mitten mitten im Zug sitzen
umgeben von lebendigen Menschen

in mir den Tot von Helio tragen

Antwort 1

 liebe Iris

Danke für Deine Mail
oh, großes Gedicht
Danke für Deine Entscheidung zu Erreichbarkeit

Tod …..
Helio ….

was ich so denke …. :

……………… ich habe gelernt von Helio
dass der Tod groß ist
dass der Tod würdevoll ist und mächtig
dass er mit dem Leben ein Beziehung hat
eine Liebesbeziehung
ein sich gegenseitiges Bedingen
…………
irgendwie müssen wir lernen auf diesem Planeten
uns erinnern
lebendig werden im eigenen Körper ….
wach werden
und da nehmen wir unterschiedliche Rollen ein
tragen unterschiedliche Aufgaben in uns
……
ich trage Deinen Sohn in mir
als eine Erinnerung an
Schönheit, Mut, große Verzweiflung und große Sehnsucht
das ist gut für mich
Helio hat mein Wissen über Männer sehr bereichert – im Leben
und mein Wissen über Leben sehr bereichert – im Tod

…….

was ich denke …. über Dich ?

ich bin fassungslos … über den Umstand, dass Du Deinen Sohn verloren hast
Deinen Sohn als Körper, als sinnlich existierendes Wesen, dass mit Dir in einer sinnlich wahrnehmbaren Verbindung STAND
Vergangenheitsform
Endgültigkeit
…. ich kann diesen Schmerz nicht nachvollziehen ….
da ich nie eine Mutter war für ein reales Kind
aber meine Phantasie ist groß genug, um zu wissen, dass sich Dein ganzes Gleichgewicht verändert hat
dass Du in einer Situation bist, in der Du
aus der Bahn geworfen bist
und nichts mehr sich „normal“ anfühlt
immer dieser Schmerz
und jetzt die Frage,
ob es einen Sinn hat, diesen Schmerz zu ertragen ….

……
ja … liebe Iris
ich kann nachvollziehen, dass die Möglichkeit  „Tod sein zu wollen“,  „sich das Leben zu  nehmen“,  „in den Tod zu gehen“ eine reale Größe in Deinem Leben ist
ja
wie auch immer Du Dich entscheiden wirst
für das Leben …. oder für den Tod
es wird Deine Entscheidung sein
für Dich
du bist frei …. eine freie Frau … auf diesem Planeten, auf der Erde  !!!

Ich freue mich, dass ich – in meiner Hilflosigkeit – was zu tun ist ….
lernen durfte und darf
zu experimentieren
…. was angemessen ist ….
wie eine eine andere wirklich unterstützen kann
ich danke Dir für Dein Vertrauen
für Deinen Mut …. Dich zu zeigen
ich habe Dich sehr lieb Du alte Jägerin !!!!
und bin – zum Beispiel heute und jetzt – da
und gerne da für Dich
Du bereicherst mich !!!
Du wilde, schöne Frau.
Tränen und Umherzen

meine Hände ruhen

meine Hände ruhen
welches Begehr zu Tun mag wohl wachsen aus meinen ruhenden Händen?
Im Freiraum von Wunde,Trauer, Leben?
Nicht dem Muss zu folgen.
Nicht dem „ich will“zu folgen.
Was ist dein Begehr?
fragte mich Ute Schiran?

Mein Begehren

ein/mein Leben zu finden,

zu gehen, zu spüren

und

mit Helio s Weg/Tod zu Sein.
Und doch die Notwendigkeiten zu erledigen. Sorgsam abgewägt was gedanklicher Zwang ist

und was erledigt werden möchte bei Zeiten.

Meinem Begehren die Zeit zu lassen und zu geben in der Stille und in der Handlung.
Und die Zeiten in denen es kein Begehr gibt, in denen die [notwendigen und die eingebildeten] Handlungen -warum auch immer- ruhen, gilt es lebendig zu Sein im ZwischenRaum der Stille

Langsamkeit

Wo ist es Lethargie im Schmerz

Was ist mir möglich an Bewegung

und wie kann diese Bewegung ausschauen?

und was wäre wenn jede äussere Bewegung zur Stille käme?

und welche Angst liegt der Stille zu Grunde?
wenn das funktionieren, das verantwortungsvolle und pflichterfüllende Tun nicht mehr möglich zu sein scheint
wenn das in welcher Form auch immer kreative Tun eine lebenserhaltende Pflicht zu sein scheint
wenn meine ganze mir eigene Selbstdefination, sich auflöst

was liegt auf meinem Lebensgrund
und wieso ist da Angst

GUT!
ich gehe seit unbestimmter Zeitlänge diesen Weg
gehe ihn weiter und weiter
seit Helio`s Tot und dem langsam lösen der Schockstarre von mir

schaue verwundert zurück auf mein voriges (welches?) Leben
schaue verwundert zurück auf mein gestriges Leben
und jeden Tag schaue ich verwundert in den Tag
und
welche!
welche bin ich heute?
Von Moment zu Moment
bin ich zwischen der angestrengten Suche nach mir, nach der der ich war und zu sein glaubte
und
ob ich es will oder nicht
diese Iris wandelt sich in eine mir Unbekannte
ich würde gerne schreiben, dass ich mir in vielem vertraut bleibe-
doch gerade bin ich mir da unsicher

Groß nehme ich die Umwandlungen in mir war
Dieser Tage fühle ich mir nahezu wie Leer
Die Alte ist am verschwinden
Die Neue am werden
In dem Zeitraum dazwischen beängstigende Stille, Leere, Bewegungslosigkeit im äusseren Tun

Ein sehr zaghaftes, zögerliches entdecken der, die ich werden werde beginnt
Moment für Moment

Da ist putzen, Holz stappeln eine erholsame Abwechslung

Diese Fragen/Bewegungen sind Groß in mir, denn ich beginne zu Leben mit dir Helio
meinem toten Kind
Mein Leben mit deinem Tot und deinem Leben in meinem Leben
Ich hier auf der Erde und Du
Wo auch immer

Welche ich wurde als du geboren wurdest,
liegt immer weiter in Vergangenheit
Denn du hast dir das Leben das ich dir gab wieder genommen
Nun bin ich hier auf der Erde
Am Leben
und beginne zu finden meine Wege meiner Lebendigkeit
in der Leere
in der Stille
in der Wandlung

der Zusammenprall von Lebendigkeit und Schmerz

es fühlt sich an wie eine Kollision
wie ein Zusammenprall

meine wieder erwachene Freude am Leben
kollidiert
mit meinem Schmerz
meiner Lebensmüdigkeit das Helio
jeden und jeden Tag Tot ist und bleibt

So wie jetzt gerade

Ich schaute den Vollmond an, sage danke für den Tag

Dann schreit es in mir
HELIO
HelioHelioHelio
mein Kind wo bist du
ist es wirklich wahr-wahr-wahr?
Ja-NEIN-Ja-NEIN
JA!
es ist wahr, mein Kind ist Tot

und die Bilder der Erinnerungen an Helio ziehen wie ein Geschmack durch mich.
Ganz schnell
und ich merke
ganz schnell
es sind Erinnerungen.

Der Schrei
NIENIENIE Mehr
werde ich ihn sehen-spüren-riechen
schreit in mir
in jeden Platz meines Körpers

Helio
was hast du getan?!

Mein liebes langes Leben wirst du Tot sein
und die Bilder meiner Erinnerungen werden blasser

Und ich will Leben
und mein Begehr kollidiert mit meinem Schmerz

Helio, bitte komm wieder